Bericht zum 1. Expertenforum „Hemmnisse der Datenbereitstellung“

Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ ist in aller Munde und wird oft als Lösung vieler Probleme angepriesen. Künstliche Intelligenz setzt jedoch einen bestimmten (sehr hohen) Grad an Digitalisierung voraus, zwie z. B. die Befähigung von Maschinen und Anlagen zur Kommunikation untereinander oder den Datenaustausch zwischen verschiedenen Instanzen. Interviews im REIF-Projekt zu den Hemmnissen der Datenbereitstellung haben gezeigt, dass bereits ein reger Datenaustausch stattfindet. Interessant ist jedoch die Betrachtung, welche Daten darüber hinaus ausgetauscht werden sollen und woran dies scheitert. Aufbauend auf den Interviewergebnissen zeigten die REIF-Partner in einem Expertenforum, dass auch die Hürden, die den Datenaustausch aktuell beschränken überwunden werden können.

Das REIF-Projekt hat sich die Reduzierung von Lebensmittelverlusten in der Produktion bzw. bis hin zum Endkunden um bis zu 90 Prozent zum Ziel gesetzt. Erreicht werden soll dieses ambitionierte Ziel durch ganzheitliche Optimierungsstrategien über mehrere Wertschöpfungsstufen und -partner in der Lebensmittelbranche hinweg. Verschiedene Anwendungen der künstlichen Intelligenz eröffnen bisher einmalige Chancen, die Verschwendung von Lebensmitteln drastisch zu reduzieren.

Eines der Teilziele des REIF-Projekts ist die Entwicklung einer digitalen Plattform als zentrales Element eines Ökosystems, das die Anbindung und Integration von KI-Anwendungen an bzw. in die Lebensmittelbranche erleichtert. Um dieses Ökosystem bedarfsgerecht zu gestalten muss identifiziert werden, in welcher Form die Plattform zu einer Vereinfachung der Nutzung von KI-Anwendungen beitragen kann. Im Verlauf des REIF-Projekts wurde deutlich, dass das größte Hindernis die Bereitschaft zur Bereitstellung von Daten darstellt. Um Möglichkeiten zu finden diese Bereitschaft zu fördern bzw. die Hemmnisse bei der Datenbereitstellung durch eine Plattform zu reduzieren erfolgte im REIF-Projekt eine Interviewserie mit elf Konsortialpartnern aus verschiedenen Bereichen der Wertschöpfungsstufen.

 

Zentrales Element der Interviewserie und des darauf aufbauenden Expertenforums ist die Frage nach Hindernissen, die einem Datenaustausch zwischen allen Akteuren entgegenstehen. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Hemmnisse grob in drei Bereiche untergliedert werden können: Allgemeine Gründe, technische/wirtschaftliche Gründe und rechtliche Gründe.

Allgemeine Gründe gegen den Datenaustausch sind die Angst vor der Datenweitergabe (sowohl intern als auch extern, Verlust von Einfluss einzelner Stellen, grundsätzliche Angst vor Veränderungen, usw.) die missbräuchliche Auswertung der Daten, die fehlende Datenstruktur und -verfügbarkeit sowie das fehlende Know-How im Unternehmen. Im Rahmen des Expertenforums griffen Judith Weber (SpiceTech GmbH) und Ralf Petrausch (tegut) im Speziellen die Thematik der fehlenden Datenstruktur und -verfügbarkeit sowie das Fehlen des entsprechenden Know-Hows im Unternehmen auf. Basierend auf den Projektergebnissen und -Erfahrungen aus der Zusammenarbeit im bisherigen Projektverlauf zeigten beide, dass die anfänglich bestehenden Hindernisse weitestgehend beseitigt werden konnten. Im konkreten Anwendungsfall müssen für die KI-gestützte Absatzprognose und das Preisdynamik-Modul (dynamische Preisanpassung in Abhängigkeit vom MHD sowie des prognostizierten Absatzes) tegut-Daten an Spicetech gesendet und dort verarbeitet werden. Für den Austausch entstand eine REST-API-Schnittstelle, welche die verschiedensten Anforderungen, wie z. B. eine Übersetzungsfunktion (zwischen den unterschiedlichen Datenstrukturen), eine Kontrollfunktion (zur Interpretierbarkeit der Daten durch das Zielsystem), eine Zugriffsverwaltung, den zeitgleichen Zugriff beliebig vieler Clients und das Sicherstellen des vollständigen Datenaustausches (gesendete Daten sind vollständig in der Zieldatenbank angekommen) erfüllt. Die Implementierung dieser Schnittstelle hat aufgezeigt, dass das Fehlen des spezifischen Expertenwissens im Rahmen einer engen Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern überwunden und die gesteckten Ziele erreicht werden können.

Neben den allgemeinen Gründen, die einem Datenaustausch aus Sicht vieler Unternehmen entgegenstehen, stellten sich technische Herausforderungen bzw. Problemstellungen als bedeutendes Hemmnis heraus. Diese Hemmnisse können unter den Überbegriffen „Software- und Systeminkompatibilität“ und „Datenaufbereitung und -anbindung“ zusammengefasst werden. Neben dem grundsätzlich geringen Digitalisierungsstand in einigen Branchen zeigt sich, dass eine Vielzahl verschiedener inkompatibler Schnittstellen und Datenformate sowie die nicht gegebene Durchgängigkeit von Prozessen und Daten aufgrund heterogener (Software-)Systemen und Architekturen dazu führt, dass Daten nur mit hohem Aufwand für eine weiterführende Nutzung gewonnen werden können. Dies bestätigen auch die Erfahrungen von Prof. Dr. Michael Colombo von TI.KI. Aus seiner Sicht wird die Datenqualität zwar von vielen Firmen als „Aushängeschild“ sehr ernst genommen auf der anderen Seite ist das Data Engineering aufgrund des vergleichsweisen hohen Aufwands eher unbeliebt. Passend hierzu gaben viele Partner an, dass die Sicherung und Bearbeitung von Daten sowie die Integration einer Datenschnittstelle in eine Cloud sehr aufwändig sind. Gleiches zeigte sich auch im Rahmen der Zusammenarbeit von tegut und Spicetech. Eng verbunden mit den technischen Hindernissen bzw. eine Folge dessen sind die wirtschaftlichen Hemmnisse die für vielen Unternehmen abschreckend wirken. Die Interviews zeigen, dass für viele die initiale Investition in die Datenanbindung nicht rechtfertigbar ist, da der finanzielle Mehrwert der Datennutzung nicht konkret beziffert werden kann. In der Praxis kann jedoch eine Abschätzung des Mehrwerts, z. B. ein manuelles Einlesen von kleinen Datenmengen bei Spicetech – bspw. von CSV-Daten – und anschließendes Verarbeiten mit Hilfe einer KI, durchgeführt werden.

Neben den bereits genannten Hemmnissen, die dem Datenaustausch entgegenstehen, wurden durch die Auswertung der Interviews verschiedene rechtliche Aspekte identifiziert, die für die Befragten ein Hindernis für den Datenaustausch darstellen. Zwar stellen rechtliche Gesichtspunkte kein unumgängliches Hemmnis dar, jedoch müssen diese Aspekte durch Juristen geklärt werden, was bisweilen einen nicht unterschätzbaren monetären und zeitlichen Aufwand bedeutet. Genannte rechtliche Aspekte adressieren zum einen die Datenhoheit und die missbräuchliche Nutzung durch den Datenempfänger und zum anderen stehen Fragen rund um die Haftung für fehlerhafte Daten oder deren fehlerhafte Interpretation sowie rund um das Thema „Kartellrecht“ für die befragten Partner im Mittelpunkt. Weiter wünschen sie sich Templates um die Kosten für Juristen möglichst gering zu halten. In REIF beschäftigen sich Prof. Dr. Beatrix Weber und ihr Team unteranderem genau mit den genannten Aspekten. Im Rahmen des Expertenforums ging Prof. Dr. Beatrix Weber auf die identifizierten Hemmnisse ein und konnte diese bereits teilweise aus rechtlicher Sicht entkräften bzw. rechtliche Maßnahmen nennen, um diese zu eliminieren. Bedenken bezüglich der Datennutzung bzw. der Datenhoheit begegnet sie mit der Möglichkeit der Anwendung von Nutzungsbedingungen mit Nutzungseinschränkungen und ein Rechtemanagement durch eine Beschreibung z. B. in Lizenzverträgen. Der Wunsch nach Templates für einen vereinfachten Datenaustausch kann durch Muster-Leistungsbeschreibungen sowohl für Datenprodukte als auch für Services, die vorhandene Daten auswerten, erfüllt werden. Solche Muster-Leistungsbeschreibungen sowie die Antworten auf kartellrechtliche und haftungstechnische Fragestellungen werden aktuell erarbeitet.

Da ein Kernelement des REIF-Projekts die Entwicklung einer zentralen Plattform als Datendrehscheibe und Marktplatz für KI-Services ist, wurden im Rahmen der Interviews Fragen zu den gewünschten Eigenschaften und Rahmenbedingungen gestellt. Die Frage nach Möglichkeiten wie der Datenaustausch durch eine Plattform gefördert werden könnte, wurde vielfältig beantwortet. Zu den genannten Antworten zählten z. B. eine hohe Benutzerfreundlichkeit (Bedienung und Integration) der Plattform sowie niedrige Kosten – idealerweise kostenfrei. Ähnlich wie die hohe Benutzerfreundlichkeit zielt die genannte Nutzung einheitlicher Standards und Technologien (z. B. REST, Web-Technologien oder flexible Schnittstellen) auf einen möglichst einfachen und kostengünstigen Ansatz für den Datenaustausch. Auch die Thematik rund um die Nutzung der Daten und deren Schutz vor Missbrauch findet sich wieder. So würde eine Plattform durch Transparenz in den Bereichen Zugriffsmanagement, Datenhoheit und Datenweitergabe sowie durch Neutralität gegenüber allen anderen Plattformteilnehmern zu einer größeren Bereitschaft zum Datenaustausch führen.

Neben der Neutralität erwarten die potenziellen Plattformnutzer im Besonderen Garantien, Versicherungen und gegebenenfalls Schadensersatzzahlungen, sollten die Daten bzw. Services nicht den vereinbarten Spezifikationen entsprechen. Hier muss den Ausführungen von Prof. Dr. Beatrix Weber folgend differenzeiert werden, da die Datenmittlung und das Vermitteln von Services von der Qualität der Daten bzw. Services getrennt betrachtet werden. Der Plattformbetreiber haftet lediglich für Schäden aufgrund der Nutzung der Plattform oder Hacking. Für die Qualität der Daten oder Services ist weiterhin der Anbieter dieser verantwortlich.

 

Die Beiträge der REIF-Partner im Expertenforum zeigen, dass einige der in den Interviews identifizierten Probleme im Rahmen des REIF-Projekts bereits gelöst bzw. überwunden wurden bzw. es bis zum Ende der Projektlaufzeit werden. Viele der Herausforderungen der Projektpartner können bei der zukünftigen Anwendung von KI vermieden werden, wenn die Lessons Learned aus dem Projekt Beachtung finden. Weiter wird die REIF-Plattform einen vereinfachten Einstieg für interessierte Unternehmen in die Welt der KI ermöglichen.

Auch wenn aktuell – z. B. auf Grund neuer oder noch nicht final feststehender gesetzlicher Regelungen – nicht alle zukünftigen Eventualitäten berücksichtigt werden können, zeigen die Partner im REIF-Projekt, dass Lösungen für Probleme gefunden werden und dies auch für zukünftige Fragestellungen anzunehmen ist.

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